Sechs Thesen zur Lebensarbeitszeitgestaltung
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Die aktuelle Diskussion um die Zuschussrente zeigt: Die Auswirkungen des demografischen Wandels kommen allmählich mitten in unserer Gesellschaft an, sie werden konkret spürbar. Dies gilt nicht weniger auch für die Auswirkungen der Demografie auf die Unternehmen und ihre Mitarbeiter.
Das sinkende Rentenniveau, das steigende Renteneintrittsalter, die Zunahme des Anteils von Mitarbeitern in den Altersgruppen ab 55 Jahren und der Fachkräftemangel aufgrund sinkender Anzahl qualifizierter Berufseinsteiger stellen Unternehmen und Mitarbeiter gleichermaßen vor neue Herausforderungen. Aus Sicht der Mitarbeiter gilt es, die eigene Beschäftigungsfähigkeit bis zum Renteneintritt ohne zusätzliche Abzüge von der Rente sicherzustellen. Aus Sicht der Unternehmen geht es darum, die Beschäftigungsfähigkeit eines möglichst großen Anteils der Mitarbeiter bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu fördern, kostenschonende und sozialverträgliche Lösungen für die Mitarbeiter zu finden, die vorzeitig in den Ruhestand gehen müssen sowie die eigene Attraktivität als Arbeitgeber für qualifizierte Mitarbeiter zu steigern.
In diesem Zusammenhang kommt der Lebensarbeitszeitgestaltung eine wichtige Schlüsselrolle zu: Als einziges personalpolitisches Instrument kann sie flexible Lösungselemente für unterschiedliche individuelle Situationen älterer Mitarbeiter bereitstellen und dabei gleichzeitig sowohl den Interessen des einzelnen Mitarbeiters als auch des Unternehmens dienen. Damit steht die Gestaltung von Lebensarbeitszeitkonten im Schnittpunkt unterschiedlicher Interessenlagen, was die zielgerechte Gestaltung solcher Modelle zu einer echten Herausforderung werden lässt.
1 LAZ-Konten sind keine Konkurrenz, sondern Ergänzung zur betrieblichen Altersversorgung
Eine betriebliche Altersversorgung sichert das Einkommensniveau des Mitarbeiters während der Rente, zielt also auf den Zeitraum nach dem Renteneintritt. Ein Lebensarbeitszeitkonto sichert das Einkommen und die Sozialbeiträge des Mitarbeiters in der Zeit vor dem Renteneintritt, insbesondere in den letzten Jahren davor. Beide Elemente sind notwendige Ergänzungen zum staatlichen Rentensystem, das in Folge der demografischen Veränderung immer weniger als alleiniges Sicherungssystem dienen kann.
2 LAZ-Konten sind die flexibelste Lösung für die Gestaltung des Übergangs vom Erwerbsleben in die Rente
Es ist im Einzelfall nicht klar, welcher Mitarbeiter Bedarf an einem gleitenden Übergang in den Ruhestand haben wird, mit welchem Alter dieser Bedarf relevant wird und wie stark der Mitarbeiter von seiner Tätigkeit entlastet werden muss. Ein LAZ-Konto kann sowohl ein allmähliches Absenken des Beschäftigungsumfangs über einen größeren Zeitraum als auch eine vollständige Freistellung über einen kürzeren Zeitraum ermöglichen, ohne dass dies schon langfristig im voraus festgelegt werden muss. Kein anderes Instrument bietet eine vergleichbare Flexibilität.
3 LAZ-Konten können sowohl die Attraktivität als Arbeitgeber steigern als auch den Vorruhestand sozialverträglich gestalten
Die auf LAZ-Konten angesparten Guthaben können zur finanziellen Abfederung einer Freistellung oder Reduzierung des Beschäftigungsumfangs vor dem Renteneintritt genutzt werden und somit den Vorruhestand sozialverträglich gestalten, ohne dass die Kosten dafür einseitig beim Unternehmen verbleiben. Darüber hinaus können Lebensarbeitszeitkonten auch zur Finanzierung von Elternzeit, Pflegezeit, Weiterbildungsphasen oder ein Sabbatical genutzt werden. Letzteres steigert die Attraktivität des Arbeitgebers vor allem für jüngere und gut ausgebildete Mitarbeiter.
4 Für eine zielführende Gestaltung von Lebensarbeitszeitkonten müssen Ziele und Prioritäten geklärt werden
LAZ-Konten können konkurrierenden Zielen dienen. Wenn ein LAZ-Konto primär der ruhestandsnahen Verwendung dienen soll, kann es geradezu schädlich sein, wenn die hier angesparten Guthaben schon vorab für andere Zwecke verwendet wurden. Damit wird deutlich: Vor der Gestaltung eines Lebensarbeitszeitmodells ist es entscheidend, die personalpolitischen Ziele klar herauszuarbeiten. Soll das Modell eher auf den Geringverdiener im Schichtdienst zielen, der mit signifikanter Wahrscheinlichkeit seine Tätigkeit nicht uneingeschränkt bis zum Alter von 67 Jahren ausüben kann? Oder soll es primär die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber für junge Hochschulabsolventen steigern? Im ersteren Fall muss der Schwerpunkt des Modells auf der vorruhestandsnahen Verwendung liegen, im letzteren Fall müssen Sabbaticals oder Elternzeit als wesentliche Verwendungszwecke möglich sein. Es gibt übrigens auch intelligente Lösungen, die beide Verwendungsformen zulassen, aber eine maßgebliche Bezuschussung des Lebensarbeitszeitkontos durch den Arbeitgeber an einen bestimmten (nämlich den personalpolitisch priorisierten) Verwendungszweck koppeln.
5 LAZ-Konten haben nur Erfolg, wenn Sie vom Arbeitgeber bezuschusst werden – und dieser Zuschuss lohnt sich auch für das Unternehmen
Die personalpolitischen Ziele, die durch die Einrichtung eines LAZ-Modells erreicht werden sollen, können in aller Regel nur erreicht werden, wenn sich der überwiegende Anteil der Mitarbeiter daran beteiligt und substantielle Beträge in ihr LAZ-Konto einbringt. Gleichzeitig ist das Ansparen auf ein LAZ-Konto ein sehr langfristiger Prozess, was für die durch die Mitarbeiter wahrgenommene Attraktivität einen Nachteil bedeutet. Wer legt schon spontan gerne Geld zur Seite, dass für eine Verwendung bevorzugt erst in 15, 20 oder 30 Jahren gedacht ist? Um diese Hürde zu überwinden und damit eine attraktive und garantierte Verzinsung der Wertguthaben darstellen zu können, ist eine substantielle Bezuschussung der von den Mitarbeitern in ihr LAZ-Konto eingebrachten Werte der erfolgversprechendste Weg. Erfolgreiche Beispiele, bei denen in kurzer Zeit eine hohe Beteiligungsquote der Mitarbeiter erreicht wurde, haben immer auf dieses Instrument gesetzt und damit die gewünschte Wirkung erzielt. Ein LAZ-Modell, bei dem der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Freistellung auf jeden vom Mitarbeiter angesparten Euro einen Zuschuss von z.B. 20% zahlt, ist für das Unternehmen immer noch bei weitem kostengünstiger als die Entgeltaufstockung in einem klassischen Altersteilzeitmodell.
6 Lebensarbeitszeitkonten erfordern mitunter die Einbringung von Zeit – und damit ein in sich schlüssiges System der Arbeitszeitgestaltung
Die wichtigste Zielgruppe für ein LAZ-Konto sind Mitarbeiter mit körperlich belastender Tätigkeit oder Schichtarbeit. Gerade für diese Mitarbeiter bedeutet es eine soziale Katastrophe, wenn sie ohne Abfederung durch ein Vorruhestandsmodell ihren Tätigkeitsumfang reduzieren oder den Weg in die Erwerbsunfähigkeitsrente gehen müssen. Auch für die Unternehmen drohen hier die größten Risiken in Form von schleichenden Produktivitätsverlusten und Krankheitskosten. Hier besteht also großer Bedarf an der Einrichtung von Lebensarbeitszeitkonto. Gerade bei diesen Mitarbeitergruppen kann man aber nicht davon ausgehen, dass sie substantielle Beiträge aus ihrem laufenden Entgelt einbringen können. Ein wesentlicher Anteil des Ansparens auf ein LAZ-Konto muss hier durch das Einbringen von Arbeitszeit erfolgen. Allerdings entstehen hier sofort auch Konflikte: Inwieweit können Arbeitsstunden dem persönlichen Ansparen des Mitarbeiters auf ein Lebensarbeitszeitkonto dienen, inwieweit müssen sie einem betrieblichen Arbeitszeitkonto zugeführt werden, um einen Zeitausgleich mit Phasen schwächerer Auslastung zu ermöglichen? Außerdem haben viele Unternehmen Bedenken, ob durch eine solche Ansparmöglichkeit von Arbeitszeit nicht Fehl-Anreize für einen nicht produktiven Verbrauch von Arbeitszeit geschaffen werden. Beide Konflikte sind lösbar. Voraussetzung dafür ist ein stringentes Gesamtsystem der Arbeitszeitgestaltung – was jedem Unternehmen übrigens auch dann gut zu Gesichte steht, wenn es kein LAZ-Konto nutzt!
Autor: Dr. Burkhard Scherf ist geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung Dr. Scherf Schütt & Zander GmbH
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Artikelbild: © torte83 – Fotolia.com
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